Nachdem ich mich einige Monate mit dem Thema “→ abbaubare Kleidung” beschäftigt habe, war für mich der nächste Schritt klar: Wie kann man auch Taschen oder Rucksäcke nähen, die vollständig kompostierbar sind und daher keinen Müll verursachen (weder bei der Herstellung noch beim Entsorgen)? Kann man Reißverschlüsse, Schnallen & Co. überhaupt ersetzen?
Warum das Ganze?
Jeder von uns besitzt Taschen und unterschiedlichsten Formen, Größen und für verschiedene Zwecke. Wir kaufen sie oder nähen sie selbst. Es gibt mittlerweile bereits Shops, die sich auf biologisch und fair produzierte Taschen spezialisiert haben. Allerdings werden dabei in den meisten Fällen Leder, Kunstleder oder andere Kunststoffe verwendet und die Verschlüsse sind aus Metall oder Kunststoffen. Was bedeutet, dass jedes einzelne dieser Produkte den globalen Müllberg vergrößert. Bei der Produkten fallen Reste der verwendeten Materialien an, die entsorgt werden müssen. Wird die Tasche nicht mehr verwendet und landet auf dem Müll, ist sie aufgrund der enthaltenen Kunststoffe und Metalle nicht kompostierbar.
Viele Jahre habe ich stolz Kunstleder verwendet und dachte, das sei das Non-Plus-Ultra. Keine Lebewesen kommen dabei zu schaden, die Taschen sind robust und langlebig, der Look ist toll. Dass Kunstleder meist aus Erdöl hergestellt wird und nicht biologisch abbaubar ist, habe ich dabei nicht bedacht. Über die Verschlüsse, Schieber, Ringe & Co. aus Metall habe ich mir ebenfalls keine Gedanken gemacht. Man kennt es, sieht es überall und hinterfragt nicht.
Bis ich dann plötzlich doch ins Grübeln kam. Womit arbeite ich eigentlich jeden Tag? Woher stammen die Materialien und wie genau sind sie zusammengesetzt? Wohin mit all den Resten, die beim Zuschnitt anfallen? Hausmüll, Recycling oder Sondermüll? Das war der Startschuss für meine Reise hin zur Produktion von komplett kompostierbarer Kleidung, Accessoires und Taschen. Ich stehe zwar noch ganz am Anfang, aber ich bin hochmotiviert. Einen Beitrag über abbaubare Kleidung kannst du hier nachlesen:
→ Biologisch abbaubare Kleidung – Geht das?
Kriterien für kompostierbare Taschen
- keine verstärkenden Einlagen oder Vliese mit Kleberückseite oder anderen Beschichtungen
- keine Vierkantringe, Steckschnallen, Schieber oder Reißverschlüsse aus Metall
- keine Knöpfe aus Kunststoff oder Metall
- kein Klett
- kein Kunstleder, Kork mit Beschichtung etc.
- Stoffe ohne einwebte Kunststoffanteile, ohne Beschichtungen etc.
- Nähgarn aus 100% Baumwolle (kein Polyestergarn)
Alternative Materialien
Lassen sich all die oben genannten Materialien überhaupt ersetzen? Nein, nicht alle. Die Taschen müssten komplett anders konzipiert werden, um ohne Reißverschlüsse, Schnallen & Co. zu funktionieren. Der Look der Taschen wird sich verändern, da sie nur noch aus Stoff bestehen. Ich finde es momentan ziemlich schwierig, einen modernen Look mit abbaubaren Ausgangsmaterialien hinzubekommen. Hanfstoffe oder Ramie, beides super umweltfreundliche Materialien, gibt es mittlerweile noch nicht bedruckt. D.h. die daraus hergestellte Kleidung oder Taschen sind immer ein- oder mehrfarbig, aber ohne Muster. Eine Ausnahme sind Leinenstoffe, die es mittlerweile schon mit Muster gibt. Hier muss man aber ganz genau schauen, dass keine Kunststoffe enthalten sind. Um Verschlüsse zu ersetzen, können eigentlich nur Bindebänder, Kordeln oder Knöpfe verwendet werden. Ein verstellbarer Schultergurt wäre ebenfalls nur über viele Knopflöcher, ein Verknoten oder Durchziehen durch einen Ring (Holz?) möglich. Wow, das wird eine Herausforderung!
Folgende Alternativen sind mir bekannt:
- Verstärkende Einlage: 100% Baumwollvlies
- Knöpfe aus Holz oder Pflanzenpolymer
- Stoffe aus 100% Baumwolle, Flachs, Hanf oder Ramie bzw. Stoffgemische daraus
- Kordeln und Gummibänder aus 100% Baumwolle
- Gurtband aus 100% Baumwolle
- Baumwoll-Nähgarn
→ Umweltfreundliche Stoffe & Nähzubehör finden
Mein Plan ist es, in Zukunft Schnittmuster zu entwickeln, die von vornherein ohne Kunststoffe und Metallteile auskommen. Aber zunächst interessiert mich, ob meine vorhandenen Schnittmuster so abgewandelt werden können, dass sich daraus komplett kompostierbare Taschen nähen lassen.
Rucksack “Pakke” ohne Schnallen, Schieber oder Metallringe nähen
Ein stylischer Rucksack ohne Schnallen, Reißverschlüsse & Co – geht das überhaupt? Rucksack Pakke wird im ursprünglichen Ebook außen mit Steckschnallen verschlossen und hat verstellbare Schulterriemen.
Die Lösung:
Um die Schultergurte größenverstellbar zu machen, habe ich die Gurtbänder an den Trageschlaufen und den Gegenstücken verlängert und mit mehreren Knopflöchern und Knöpfen versehen. So können verschiedene Größen gewählt werden. Auf die gleiche Weise wird auch die Taschenklappe verschlossen. Zum Raffen der Tasche habe ich vorn einen Kordelzug ohne Ösen eingearbeitet, indem ich an der Vordertasche einen Tunnel gesteppt und vorn zwei Knopflöcher gearbeitet habe. Alles in Allem gefällt mir unser Pakke mit den Änderungen wirklich gut. Ich werde aber glaube ich einen neuen Rucksackschnitt entwickeln, der die besonderen Bedürfnisse eines kunststoff- und metallfreien Rucksacks besser berücksichtigt.
Meine Grundmaterialien für den Rucksack sind Ramie, Leinen und Jute. Zur Verstärkung habe ich eine Vlieseinlage aus 100% Baumwolle verwendet. Sie wird nicht aufgebügelt, sondern entweder auf das Innenfutter gesteppt oder – wie hier zu sehen – als dritte Stofflage zwischen Außen- und Innentasche eingelegt.
Der verstellbare Klappenverschluss mit Knöpfen & Knopflöchern.
Nach dem gleichen Prinzip habe ich die Träger gefertigt. Viele Knopflöcher zum Verstellen und 1-3 Knöpfe als Gegenstück.
Zum Raffen der Tasche habe ich einen Tunnel genäht, der vorn zwei Knopflöcher hat. Hier kann eine Kordel durchgezogen werden.
Fertiger Rucksack.
Tasche “Ajan” ohne Schnallen, Schieber oder Metallringe nähen
Tasche “Ajan” hat einen verstellbaren Schultergurt, zwei Innentaschen mit Reißverschluss und wird vorn mit Steckschnallen verschlossen.
Die Lösung:
Das Reißverschlussfach im Inneren wird als normales Steckfach genäht, welches oben offen ist. Man kann alternativ noch einen Verschlussknopf anbringen oder sogar eine Klappe nähen, die mit einem Knopf verschlossen wird. Auch die Außentaschen können einfach mit einem Knopf verschlossen werden. Anstatt einer Steckschnalle für das Verschließen der Taschenklappe habe ich hier zwei pfeilförmig zulaufende Riegel genäht, in die ich dann ein Knopfloch gearbeitet habe. Auf der Taschenvorderseite habe ich dafür unter den aufgesetzten Taschen jeweils noch einen Knopf aufgenäht.
Meine Grundmaterialien für die Tasche sind Hanfdenim und Leinen, sowie eine Einlage aus 100% Baumwolle.
Hier siehst du die Verschlussriegel für die Vorderseite
Das innere Steckfach einfach rechts auf rechts verstürzt und dann aufgesteppt. Ich habe hier noch eine mittlere Teilungsnaht gesetzt.
Die Außentaschen mit Knopfloch.
Tasche “Svea” ohne Reißverschluss nähen
Die größte Herausforderung bei der “Svea” besteht im Ersetzen des Reißverschlusses, mit dem sie oben verschlossen wird. Auch im Inneren befindet sich noch ein Reißverschlussfach.
Die Lösung:
Das Reißverschlussfach im Inneren wird als normales Steckfach genäht, welches oben offen ist. Man kann alternativ noch einen Verschlussknopf anbringen oder sogar eine Klappe nähen, die mit einem Knopf verschlossen wird. Den Reißverschluss kann man entweder komplett weglassen, was die Tasche zu einem einfachen Shopper macht – sieht ebenfalls schick aus und eignet sich für viele Anlässe. Allerdings können Wertsachen damit nicht sicher verstaut werden.
Meine Grundmaterialien für die Tasche sind Ramie und Leinen, sowie eine Einlage aus 100% Baumwolle.
Ich habe hier im Beispiel versucht, statt eines Reißverschlusses eine Kordel einzuziehen. Zum Verschließen der Tasche wird dann einfach an der Kordel gezogen. Das funktioniert theoretisch ganz gut, allerdings kann die Kordel nicht zu eng zugezogen werden, da sonst die Tasche außen knittert. Hier müsste man einen komplett anderen Schnitt entwickeln. Die Nähanleitung für den Kordelverschluss möchte ich dir aber dennoch nicht vorenthalten.
Als Einlage zur Verstärkung habe ich ein reines Baumwollvlies verwendet. Daraus habe ich die Innentasche nochmals genäht und die gesamte Tasche aus Baumwollvlies am Ende zwischen Außen- und Innentasche gesteckt.
Das Reißverschluss-Innenfache habe ich als einfaches Steckfach genäht. Beide Schnittteile habe ich rechts auf rechts zusammengenäht, gewendet und dann auf die Innentasche aufgenäht.
Optional kann hier auch noch ein Verschlussknopf angebracht werden. Dann müsste vorher auf der Innentasche ein Knopfloch gearbeitet werden. Die Reißverschlussblenden habe ich erstmal so gebügelt wie im E-Book beschrieben.
Beim Absteppen habe ich an der vorderen Kante einen 1,5 cm breiten Tunnel genäht, in welchen später die Kordel eingezogen werden kann. Die anderen Kanten habe ich knappkantig gesteppt.
Beim finalen Zusammennähen der Tasche habe ich die Einlage aus Baumwollvlies einfach links auf links innen platziert, so dass diese nach dem Wenden zwischen Außen- und Innenstoff liegt.
Als Zugband eignet sich eine Baumwollkordel oder Schrägband, welches mittig zusammengefaltet wurde. Die Kordel wird mithilfe einer Sicherheitsnadel durch den Tunnel gezogen.
Beide Enden werden verknotet – fertig!
Hier siehst du nochmal das innere Steckfach.
Das waren meine ersten drei Beispiele. Am schwierigsten sind meines Erachtens Reißverschlüsse zu “ersetzen”, hier ist mir noch keine perfekte Möglichkeit eingefallen. Aber ich werde mich mal an einen oder mehrere neue Schnittmuster setzen, die diese Problematik umgehen. Mal schauen, ob es mit gelingt. Bis dahin bin ich gespannt auf dein Feedback zu meinem Projekt! Schreib mir gern einen Kommentar unter diesen Beitrag.
LinkUp: CreaDienstag und einfach nachhaltig besser leben
4 Kommentare
Hallo Julia,
ich finde die Idee sehr gut und besonders der Rucksack gefällt mir besonders. Allerdings habe ich Bedenken, ob die Konstruktion der Schultergurte größeres Gewicht aushält.
Hast du ihn schon ausprobiert? Würde es einen normalen Einkauf im Supermarkt aushalten?
Ich denke, man könnte sich Inspiration auch aus früheren Jahrhunderten holen, als es noch kein Plastik gab und Metall für das normale Volk unerschwinglich war.
Aber vielleicht braucht man auch nicht unbedingt verstellbare Schultergurte, je nachdem, wofür der Rucksack genutzt wird.
Wenn ich deinen Rucksack so sehe, habe ich sofort einen aus Breitcord und alten Jeans vor Augen :)
Viele Grüße
Simone
Hallo liebe Simone, vielen Dank für deine Rückmeldung! Ich könnte mir noch vorstellen, die Träger zum Knoten zu machen oder mit verstellbaren Ringen (wie bei einem RingSling für Babies). Ich knöpfe bei der hier gezeigten immer mehrere Knöpfe zusammen, daher hält es sehr gut.
Liebe Grüße,
Julia
Liebe Julia.
vielen Dank für diesen lesenswerten Beitrag. Vor einigen Jahren, als ich noch nicht nähen konnte, hatte ich einen Rucksack, dessen (über Lederriemen wie ein Gürtel verstellbar) Träger aus dem gleichen Stoff wie der Rucksackkörper war (so ein grobes Jutegewebe, sehr “öko”, aber sehr stylisch) und dessen Klappe ebenfalls mittels zweier Lederriemen wie ein Gürtel zu schließen waren. Lediglich die Gegenstücke an diesen vier kleinen Verschlüssen waren aus Metall, der Rest war alles aus Stoff oder Leder. Ich liebte diesen Rucksack und habe ihn mindestens 15 oder vielleicht sogar noch länger überall mit hingeschleppt. Irgendwann aber war der Stoff durchgewetzt und da ich noch nicht nähen (sprich: ihn somit auch nicht reparieren) konnte, habe ich ihn entsorgt (und wenn ich ehrlich bin, weine ich ihm heute noch hinterher). Ich bin eine sehr treue Taschenträgerin, auch heute nutze ich meine Taschen bis sie auseinanderfallen und das, obwohl ich so gerne neue Taschen nähe (in Wahrheit bin ich zu faul, sie immer wieder umzuräumen und bleibe damit bei einer Tasche). Dein Beitrag macht mich nachdenklich, aber ja, auch das Selbernähen ist längst nicht so umweltfreundlich, wie wir uns das gerne wünschen. Beim nächsten Neukauf von Stoffen/Zubehör werde ich versuchen, auf biologisch verträglichere Materialien zu achten. Momentan bin ich mit dem Abbau der Stoff-/Materialvorräte zuhause beschäftigt und nähe vieles aus ausrangierten Kleidungsstücken, die nicht mehr passen oder nicht mehr gefallen. Auch wenn diese Materialien vielleicht nicht alle biologisch abbaubar sind, so werden sie zumindest noch eine Weile anders genutzt und wandern erst nach einem Mehrfachnutzen irgendwann in den Müll. (Auch) ein erster Schritt.
Viele Grüße
Anni
Hallo liebe Anni, vielen Dank für dein Feedback! Das klingt nach einem tollen Rucksack :) Hast du noch ein Foto davon? Ich denke auch, bei allem nachhaltigen Denken sollte man sich nicht total selbst kasteien und natürlich ist es auch nachhaltig, alte Stoffe / Kleidung zu verwenden oder Upcycling generell. Ich finde vor allem die Vermeidung von Plastik bzw. Kunststoffen wichtig, was bei Knöpfen Bügelvliesen, Verschlüssen usw. ins Gewicht fällt. Oder Kunststoffzusätzen im Stoff (Polyester allgemein, aber vor allem auch Elasthan – total schwierig zu umgehen, wenn man noch eine Auswajl haben will. Aber super, dass du darüber nachdenkst und schon einige Schritte gegangen bist. Jeder Schritt ist wichtig.
Alles Liebe,
Julia