Ich nähe mittlerweile seit sechs Jahren – neben Taschen und Accessoires auch häufig Kleidung für mich und meine Kinder. Da ich als Schnittmuster-Designerin häufig Schnitte teste und viele Beispiele nähe, kam bei mir sehr schnell der Nachhaltigkeitsgedanke auf.
Beim Stoffzuschnitt fallen Reste an, die in den Müll wandern – und manche Nähwerke sind bei all den Tests “für die Tonne”, also nicht zu gebrauchen. Was passiert mit diesen Sachen? Kommen sie in den Hausmüll? Viele Stoffe sind nicht biologisch abbaubar, da sie Kunststoffe enthalten – hier reicht schon der Elasthananteil im Jersey. Aber auch Einlagen mit Klebebeschichtung, Plastikknöpfe, Polyester, Fleece, Kunstleder – all diese Materialien sind nicht biologisch abbaubar und schaden bereits in der Herstellung der Umwelt.
Dieser Konflikt legte mich lange Zeit lahm. Ich möchte durch meine Arbeit bzw. mein Hobby nicht Unmengen Material zum weltweiten Müllberg beisteuern. Oder Materialien verwenden, die in der Produktion umweltschädigend sind. Teilweise wollte ich deswegen gar nicht mehr nähen. Was aber das Problem auch nicht löst. Dann kam mir die Idee zu diesem Blog. Was wäre, wenn ich einfach als positives Beispiel vorangehe und Alternativen vorstelle? Außerdem werde ich meine Materialien und Arbeitsprozesse nach und nach umstellen. Ich glaube, das ist deutlich produktiver.
Kleid “Adina” aus farbig gewachsener Bio-Baumwolle ohne Zusätze, Taillengummi aus 100% Baumwolle mit Naturkautschuk
Gibt es überhaupt biologisch abbaubare Kleidung?
Ja! Es gibt bereits Firmen, wie z.b. Trigema und sogar C&A, die biologisch abbaubare Kleidung herstellen. Bei C&A ist es “nur” ein T-Shirt – aber dennoch finde ich es wichtig, dass auch ein Discounter das Thema aufgreift und ein Statement setzt. Die Firma Trigema geht sogar noch weiter und produziert die komplette “Change”-Kollektion nach dem Cradle-to-Cradle Prinzip. Bei diesem Modell werden keine Abfälle produziert, sondern die bei der Herstellung anfallenden Reste und eingesetzten Materialien sowie das finale Produkt sind komplett biologisch abbaubar oder können wiederverwendet werden.
Wichtig ist aber auch hier ein Blick über den Tellerrand. Denn selbst wenn unsere Kleidung komplett biologisch abbaubar ist, so muss dennoch ein Umdenken in den Köpfen stattfinden. Solange Kleidung ein Wegwerfartikel ist, der nur kurz getragen wird bis die nächste Kollektion erscheint, ist auch diese Entwicklung nicht nachhaltig.
Das betrifft natürlich ebenso das Selbernähen. Nähen macht Spaß, es gibt soviele schöne Stoffe und Schnitte – aber wenn wir Unmengen davon produzieren, geht der Gedanke von Nachhaltigkeit und fair produzierter Mode verloren. Wir sind wieder in der Massenproduktion angekommen, nähen Teile die wir niemals tragen und die dann wieder im Müll landen. Ich denke, dass hier ein Umdenken erfolgen sollte und da nehme ich natürlich mich selbst nicht aus. Auch als Schnittentwicklerin habe ich eine große Verantwortung und kann einige Prozesse optimieren. Ein paar Nähbeispiele komplett kompostierbarer Kleidungsstücke findest du am Ende des Beitrags.
Ich habe viel recherchiert, mit Stoffherstellern gesprochen und tatsächlich eine große Palette an biologisch abbaubaren Stoffe und Nähzubehör gefunden. Eine Liste findest du hier: → Umweltfreundliche Stoffe & Nähzubehör finden
Welche Materialien sind biologisch abbaubar?
Obwohl der Markt an biologisch zertifizierten Stoffen stetig wächst sind die wenigsten dieser Stoffe auch tatsächlich umweltfreundlich. Häufig werden Materialmixe produziert, wie z.B. GOTS-zertifizierte Bio-Baumwolle mit Recyclingpolyester, Elasthan, eingewebten Metallfäden für einen Glitzereffekt oder wasserfester Beschichtung. Dazu kommen Nähgarne aus Polyester, Knöpfe aus Plastik, eingenähte Labels und Waschetiketten, Applikationen oder aufgestickte Motive.
Diese sind allesamt nicht recyclingfähig und landen zur Entsorgung entweder auf einer Mülldeponie oder werden verbrannt, wobei giftige Gase entstehen. Dazu kommt noch, dass diese Materialien bei jedem Waschgang Mikroplastik ins Wasser abgeben, was deren Ökobilanz wiederum deutlich schmälert.
Weiter geht es mit dem Färbeprozess und der Ausrüstung des Stoffes – auch hier werden häufig Chemikalien eingesetzt, die an den Fasern haften bleiben. Um zu all dem auch die soziale Komponente, also Arbeitsbedingungen, faire Entlohnung usw. mit einzubeziehen, haben sich die Zertifikate nach dem GOTS-Standard sowie das IVN-Siegel des Internationalen Verbands der Naturtextilwirtschaft e. V. bewährt.
Biologisch abbaubar | Nicht biologisch abbaubar | |
– 100% Bio-Baumwolle, Bio-Hanf oder Bio-Leinen ohne Zusätze
– Tencel® / Lyocell®, Modal, Viskose (mit Vorsicht zu genießen*) |
– konventionell produzierte Baumwolle (enthält häufig chemische Zusätze zur Imprägnierung etc) ohne Elasthan
– Polyester, Fleece, Kunstleder, Korkstoffe mit Beschichtung – Elasthan, wasserdichte Beschichtung, eingewebte Metallfäden (Glitzer-Effekt) |
|
– eingenähte Labels aus Bio-Baumwolle oder den oben genannten Materialien | – eingenähte Labels aus Polyester | |
– Nähgarn aus 100% Bio-Baumwolle | – Polyester-Nähgarn | |
– Knöpfe aus Holz, Kokosschalen, Steinnuss | – Knöpfe aus Kunststoff | |
– Einlagen und Vliese aus 100% Bio-Baumwolle (ohne Kleberückseite / Elasthan) | – Bügeleinlagen mit Klebebeschichtung | |
– Baumwoll-Reißverschlüsse | – Plastik-Reißverschlüsse | |
– Gummibänder aus Bio-Baumwolle und Naturkautschuk, sowie Kordeln, Bänder und Borten aus reiner Bio-Baumwolle | – Gummibänder, Kordeln , sowie Bänder und Borten mit Elasthan | |
– Gurtband aus 100% Bio-Baumwolle | – Gurtband aus Kunststoff |
* Bei der Produktion von Viskose fallen Schwefelwasserstoff und Schwefelkohlenstoff an, die sehr umweltschädlich und ungesund sind.
Wo finde ich nachhaltige Stoffe & Nähzubehör?
Als zentrale Anlaufstelle habe ich eine Extraseite angelegt, auf der zahlreiche Shops mit nachhaltigen Stoffen und Nähmaterialien gelistet sind. Neben Stoffen sind hierbei auch die verwendeten Einlagen, Nähgarn, Knöpfe, Reißverschlüsse und vieles mehr zu beachten.
→ Nachhaltige Stoffe & Nähzubehör
Nähbeispiele
Ich stehe zwar gerade noch am Anfang was das nachhaltige Nähen betrifft, aber habe schon ein paar Klamotten für uns genäht. Sie sind allesamt komplett biologisch abbaubar und auch die Reste vom Zuschnitt können einfach über den Biomüll entsorgt werden. Beim Waschen gelangt kein Mikroplastik und keine Chemikalien ins Wasser.
Shirt “Lova” aus farbig gewachsener Bio-Baumwolle ohne Zusätze, mit Holzknöpfen
Shirt “Marla” aus 100% Hanfjersey ohne Zusätze, mit Holzknöpfen
Hose “Juno” aus 100% Ramie ohne Zusätze, mit Knöpfen aus Kokosschalen
Pulli “Peer” aus farbig gewachsener Bio-Baumwolle ohne Zusätze
Hose “Juno” aus 100% Hanfdenim ohne Zusätze
Weitere Infos & Quellen:
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